Freitag, 27. Mai 2016 (heiter, ohne Wind, 17 bis 20 Grad, frischer Frühlingstag), Zicklacke, Strandbad Illmitz, 5 bis 8 Uhr
Immer wieder hatte ich mir die letzten Tage vorgenommen, einmal frühmorgens loszuziehen. Heute ist der Wille stark genug und ich lasse mich vom Wecker aus dem Schlaf klingeln. Um 5 Uhr sitze ich bereits auf dem Fahrrad und bin auf der Straße zum Strandbad Illmitz unterwegs. Der Morgennebel hängt noch über der Landschaft. Ein Trupp Graugänse (Bild) quert die Straße und verschwindet im Weingarten. Noch ist es kühl, aber die Sonne schickt schon die ersten wärmenden Strahlen über die Zicklacke (Bild). Vom See ertönt ein vielstimmiges Vogelkonzert. Wie schon vor einigen Tagen kann ich auch heute am Straßenrand eine Haubenlerche (Bilder) aus nächster Nähe beobachten. Und zu meinem Glück fliegt sie auf eine Informationstafel und erfreut mich mit ihrem flötend-zwitschernden Gesang (Video > Youtube). Ich vernehme auch einen Vogel, der wie klirrendes Glas singt (Tonbeispiel > Avisoft Bioacoustics). Es ist der Girlitz (Bild). Während der ganzen Woche habe ich viele Girlitze in Illmitz gesehen und singen gehört. Dieses Exemplar »erwische« ich hier am Weinberg nur von hinten und das Bild ist leider unscharf. Bedauerlicherweise reicht meine Zeit nicht mehr, um diese Art einmal in Ruhe betrachten und ein besseres Foto schießen zu können. An beiden Seiten der Seestraße, die am Strandbad endet, gibt es immer wieder kleine Schneisen im Schilf und damit tiefe Einblicke in die Randzone des Neusiedler Sees. Die Seestraße ist als eine der besten Beobachtungsmöglichkeiten für Teichrohrsänger, Drosselrohrsänger und Schilfrohrsänger (Bilder) bekannt. Letzteren entdecke ich sehr schnell, da er auf einem Baumwipfel seinen Platz bezogen hat und ausgiebig singt.
Nach diesen bereits sehr schönen Beobachtungen komme ich gegen 6 Uhr am Strandbad an. Bis auf einige wenige Fotografen, die mich schon überholt haben, sind kaum Menschen unterwegs. Ich habe gehört, dass im südlichen Teil des Strandbads recht verlässlich Beutelmeisen und Bartmeisen zu sehen sind. Deshalb beziehe ich Platz vor dem Schilfröhricht und versuche Vogelstimmen zu deuten. Auch hier ist ein Schilfrohrsänger (Bild) unterwegs. Dann endlich höre ich den feinen, hohen »ziiihhhh ziiihhhh«-Ruf (Tonbeispiel > Avisoft Bioacoustics), der so typisch für die Beutelmeise (Bilder) ist. Sie brütet in Laubbäumen an Flüssen und Seen sowie in buschreichen Sumpfgebieten. Wie ihr Name andeutet, flicht sie ein beutelförmiges Nest in die lang herabhängenden Zweige von Bäumen wie z.B. Weiden, Erlen oder Birken. Das kunstvoll gebaute Nest ist geschlossen und der Vogel gelangt nur durch eine seitliche Einschlupfröhre in das Innere. Man erkennt die Beutelmeise an ihrem dünnen, spitzen, leicht konisch zulaufendem Schnabel, der breiten schwarzen Augenmaske und den hellgrauen Scheitel- und Nackenfedern. Der Bauch zeigt eine hellbraune Färbung, das obere Gefieder ist rotbraun, beim Männchen kräftiger als beim Weibchen. Beutelmeisen aus Nord- und Osteuropa räumen im Winter ihre Brutgebiete und ziehen nach Süden in den Mittelmeerraum. Manche bleiben auch das ganze Jahr über in den südlichen Ländern. Durchschnittlich brüten 50 bis 100 Paare im Neusiedler-See-Gebiet. Mehr Infos > Webseite Nationalpark Neusiedler See.
Während ich noch die Beutelmeise beobachte, was gar nicht so einfach ist, da sie kaum still hält und eilig von Halm zu Halm fliegt, zeigt sich ein weiterer Schilfbewohner, die Rohrammer (Bild). Mittlerweile ist auch eine von einem jungen Nationalpark-Ranger geführte Birdergruppe vor Ort und lässt sich über die Vogelwelt am Neusiedler See informieren. Als die Gruppe weitergezogen und es wieder still ist, vernehme ich einige Male den »psching«-Ruf einer Bartmeise (Tonbeispiel > xeno-canto.org). Finden kann ich sie allerdings nicht.
Ich laufe noch etwas weiter Richtung See und mache es mir auf einer Bank an der Schiffsanlegestelle bequem. Ziemlich laut ruft aus dem Baum neben mir ein Kuckuck (Bild). Als er mich bemerkt, fliegt er ab ins Schilfgebiet. Auf einem Weg beobachte ich zwei Bluthänflinge (Bilder), die den Boden absuchen. Gut zu erkennen ist, dass das Weibchen Nistmaterial sammelt. Gegenüber der Anlegestelle liegt eine kleine Insel. Immer wieder suche ich deren dichtbewachsenes Ufer ab. Und dann tauchen ziemlich überraschend die beiden Nachtreiher (Bild) auf. Sie fliegen knapp über dem Schilf an mir vorbei, um sich dann auf der Spitze eines kahlen Baumes niederzulassen. Und bleiben auch eine Weile völlig entspannt dort oben sitzen. Der eine Vogel mit dem schwarzen Mantel, den hellgrauen Flügeln und der schwarzen Kappe ist ein adultes Exemplar, der Zweite mit der graubraunen Färbung und der diffusen Halsstrichelung ein noch nicht ausgewachsener Nachtreiher in seinem zweiten Sommerkleid. Die untersetzten Vögel halten sich von April bis Oktober überwiegend in südlichen und südöstlichen Ländern Europas auf. Sie überwintern in Afrika, einige auch auf Mallorca. Sie sind Koloniebrüter und bauen ihre Nester aus Zweigen in Bäume, die in der Nähe von Wasser stehen. Überwiegend nachts suchen sie nach Fischen, Amphibien oder Insekten, tagsüber ruhen sie gemeinsam. Im österreichischen Teil des Nationalparks gibt es ca. 15 Brutpaare. Mehr Infos > Webseite Nationalpark Neusiedler See.
Wichtigste Vögel am Vormittag: Haubenlerche, Girlitz, Turmfalke, Graugans, Rotschenkel, Stelzenläufer, Schilfrohrsänger, Drosselrohrsänger, Teichrohrsänger, Beutelmeise, Pirol, Nachtreiher, Bachstelze, Bartmeise (Ruf), Bluthänfling, Rohrdommel (Ruf), Kuckuck, Wiedehopf, Neuntöter
Komplette Vogeltagesliste siehe nächster Beitrag, 27.5.16 nachmittags
Weitere Neusiedler-See-Touren im September 2014.
