Fünfzig Kilometer südöstlich von Wien liegt der 315 Quadratkilometer große Neusiedler See. Im Westen wird er von den Ausläufern der Alpen begrenzt und im Osten breitet sich die Ungarische Tiefebene aus. Diese außergewöhnliche Lage an der Grenze zwischen Ost und West machen den See, das umliegende Gebiet namens Seewinkel und den ungarischen Hanság zum bekanntesten Vogelbeobachtungsplatz Mitteleuropas. Für viele Vogelarten bieten die breiten Schilfzonen und großflächigen Feuchtgebiete, die Wiesen, Weideflächen und kleinflächigen Sandzonen Platz zum Brüten. Auch für Zugvögel sind der See mit einer durchschnittlichen Wassertiefe von nur einem Meter und die zahlreichen kleinen, periodisch austrocknenden Salzseen (Salzlacken) ein wichtiger Rastplatz. Mehr Infos zum See > Wikipedia.
Für den Vogelbeobachter gibt es eine Menge zu entdecken. 341 Vogelarten wurden bisher gezählt (Stand: Februar 2011). Davon sind ca. 150 Arten Brutvögel, darunter Großtrappe, Zwergscharbe, Rohrdommel, Zwergdommel, Nachtreiher, Rallenreiher, Silberreiher, Purpurreiher, Graureiher, Weißstorch, Löffler, Graugans, Löffelente, Moorente, Seeadler, Kaiseradler, Wachtel, Kleines Sumpfhuhn, Stelzenläufer, Säbelschnäbler, Seeregenpfeifer, Bekassine, Uferschnepfe, Großer Brachvogel, Rotschenkel, Schwarzkopfmöwe, Flussseeschwalbe, Weißbart-Seeschwalbe, Sumpfohreule, Bienenfresser, Blutspecht, Haubenlerche, Blaukehlchen, Braunkehlchen, Feldschwirl, Schlagschwirl, Rohrschwirl, Mariskensänger, Sperbergrasmücke, Bartmeise, Beutelmeise, Grauammer.
Weitere Highlights sind zu den Zugzeiten im Frühjahr (Februar bis Mai) und im Herbst (August bis Oktober) sowie in den Wintermonaten zu sehen, beispielsweise Sterntaucher, Prachttaucher, Sichler, Eisente, Trauerente, Schlangenadler, Steppenweihe, Adlerbussard, Rauhfußbussard, Schelladler, Fischadler, Merlin, Sakerfalke, Kranich, Austernfischer, Goldregenpfeifer, Kiebitzregenpfeifer, Knutt, Sanderling, Zwergstrandläufer, Graubrust-Strandläufer, Sichelstrandläufer, Alpenstrandläufer, Kampfläufer, Zwergschnepfe, Bekassine, Pfuhlschnepfe, Regenbrachvogel, Dunkler Wasserläufer, Teichwasserläufer, Steinwälzer, Odinshühnchen, Steppenmöwe, Zwergmöwe, Raubseeschwalbe, Brandseeschwalbe, Zwergseeschwalbe, Trauerseeschwalbe, Weißflügel-Seeschwalbe, Waldohreule, Wiedehopf, Wendehals, Rotkehlpieper, Rotdrossel, Raubwürger, Schneeammer.
1993 wurden der See und das Umland zum Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel erklärt. Der schon seit 1991 bestehende, weit größere ungarische Nationalpark Fertö-Hanság Nemzeti Park ergänzt das Naturschutzgebiet. Der grenzüberschreitende Nationalpark wird durch die Ramsar-Konvention geschützt und ist Teil des europäischen Biotop-Verbundes NATURA 2000.
In Illmitz befindet sich das Informationszentrum des Nationalparks Neusiedler See – Seewinkel. Das ganzjährig geöffnete Haus bietet umfangreiche Materialien zur Vogelbeobachtung wie Artenlisten, Bestimmungsbücher, Karten etc. Es ist in den Sommermonaten (April bis Ende Oktober) Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr und an den Wochenenden bzw. Feiertagen von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Vom 1. November bis 31. März ist es Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr geöffnet. Das Zentrum richtet jedes Jahr im Frühjahr die »Pannonian Bird Experience« aus. Ein Treffpunkt für Birder, Fotografen und Hersteller optischer Geräte mit Exkursionen, Vorträgen, Workshops und Ausstellungen.
Die einschlägigen Orte für den Vogelbeobachter sind Illmitz und Apetlon. Von München fährt man über die E52/E60 nach Salzburg, Linz und Wien. Von Wien über die E58/A4/A462 und L205 in südöstlicher Richtung nach Illmitz. Fahrzeit mit dem Auto ca. 5 ½ Stunden. Auch mit der Bahn kann man nach Neusiedl am See, das am nördlichen Ende des Neusiedler Sees liegt, reisen. Der Railjet-Zug bringt einen von München zum Wiener Hauptbahnhof. Von dort fährt ein Zug nach Neusiedl am See. Ab Neusiedl am See fährt im Ein-Stunden-Takt der ÖBB-Postbus nach Illmitz. Man ist ca. 7 Stunden unterwegs. In Illmitz kann man sich ein Fahrrad leihen. Weitere Infos zu Anreise und Übernachtung auf der > Website Neusiedler See.
Ich habe die Variante mit dem Zug bzw. Bus und Fahrrad gewählt. Rund um Illmitz befinden sich in einem Umkreis von maximal 20 Kilometern mehr als 20 Aussichtsplattformen und -türme, die mit dem Rad gut erreichbar sind. Das weit verzweigte Radnetz ist bestens ausgebaut und ausreichend beschildert. Für entfernter liegende Plätze, wie z.B. den Balzplatz der Großtrappen in der Nähe von Andau, der ungefähr 30 Kilometer (einfache Fahrt) von Illmitz entfernt liegt, ist ein Auto sinnvoll. Die meisten Aussichtsplätze müssen dann aber noch zu Fuß erwandert werden.
Raritäten zu den Vogelzugzeiten locken den Birder im Frühjahr und Herbst an den Neusiedler See. Um die reifen Trauben im umliegenden Weinbaugebiet vor den großen Starenschwärmen zu schützen, werden allerdings im Herbst rund um Illmitz und Apetlon besondere Maßnahmen ergriffen. Tagsüber fliegt eine Propellermaschine Runde um Runde knapp über den Weingärten oder Bauern schießen mit ihren Gewehren in die Luft. Auch automatische Schießanlagen sind aufgestellt, die in kurzen Abständen in die Luft ballern. Manchmal werden Tonbänder mit rufenden Mäusebussarden, bellenden Hunden oder Silvesterböllern abgespielt. So kann es mancherorts schon recht laut werden. Auch viele rastende Vögel werden dadurch erschreckt. Bei meinem 2. Herbstbesuch im September 2021 im Seewinkel habe ich diese Abwehrmaßnahmen nicht mehr beobachten können.
Buchempfehlungen
– Leander Khil, Vögel beobachten im Seewinkel, Die besten Beobachtungsplätze im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel und in angrenzenden Gebieten, 54 Seiten, 1. Auflage 2016. Erhältlich über die Webseite von Leander Khil.
– Christoph Roland, Birding Hotspots, 43 Routen rund um den Neusiedler See, herausgegeben vom Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel, 324 Seiten, 2. Auflage 2019. Mehr Infos dazu auf der Webseite von Christoph Roland. Erhältlich im Nationalpark-Zentrum.
Vielen Dank für Ihren informativen und lebendigen Blog zur Vogelwelt. Aufmerksam wurde ich auf ihn in Istrien und der Beschreibung von Palud. Auch der Hinweis auf die BEX, die Pannonian Bird-Experience finde ich als deren Mitinitator sehr gut. Weiter so und viel Erfolg beim Birden. Vielleicht mal draußen?
Good Birding!
MRI
Ich war bisher zweimal am Neusiedler See, im Mai 2016 und im September 2014 und beide Male bin ich begeistert gewesen von der Vielfalt an Vogelbeobachtungen.
Die Leute vom Nationalpark-Zentrum machen eine tolle Arbeit. Ich komme bestimmt wieder.
Liebe Grüße
Waltraud Hofbauer