Freitag, 28. Dezember 2012 (Sonne, 12 bis 16 Grad, warmer Wintertag, wenig Wind), Naturpark Albufera, Tour »Es Cibollar« (lila) und Tour »Sa Roca« (grün), 10 bis 17.30 Uhr
Endlich! Nach einem sehr arbeitsreichen Dezember, weihnachtlichen Familien-, Bekannten- und Kundenbesuchen, einem Reisetag mit Flug, Autoanmietung, Fahrt mit einem etwas zu großen Auto in den Norden der Insel nach Port d’Alcúdia, Ankunft im Hotel, erster Nacht im fremden Bett und der morgendlichen Suche nach dem Naturpark Albufera – endlich stehe ich nun im »Vogelparadies« Albufera. Sonne, blauer Himmel, noch etwas morgendliche Kühle, aber die Sonne wärmt schon. Keine Autos, keine Menschen, Ruhe – und vor mir sieben Tage Zeit für mein liebstes Hobby. Ich bin noch etwas aufgeregt, aber freue mich wahnsinnig auf die Zeit.
Links neben dem Weg, der zum Besucherzentrum führt, fließt ein kleiner Kanal, der durch meterhohes braunes Schilf verdeckt wird, rechts von mir der Große Kanal (Gran Canal), der sich hinter dichtem grünen Gebüsch und Bäumen versteckt. Alles wirkt schon frühlingshaft. Ich höre Vogelrufe, Flügelschlagen, helles Piepsen und sehe einige kleinere Vögel, die neben mir im Gebüsch und auf dem Weg landen. Ein Buchfinken-Weibchen pickt Samen. Das ist eines derjenigen, die ihre Männer im kalten grauen Deutschland lassen und hier ihren Winter verbringen. Ich genieße es, auch diesen mir wohl bekannten Vogel anzusehen. Aber das Neue lockt.
An der ersten Beobachtungsplattform (Bild) nehme ich mir ausgiebig Zeit, die Uferränder abzusuchen. Teichhuhn und Zwergtaucher sind schnell entdeckt. An einer weiteren Stelle, die den Blick auf den Großen Kanal freigibt, geht’s schon los mit den Raritäten. Auf der gegenüberliegenden Seite, versteckt im Gebüsch, sitzen ziemlich müde Nachtreiher (Bild). 24 Vögel zähle ich, soviele auf einem Fleck habe ich noch nie gesehen. Ich wandere weiter zum Besucherzentrum »Sa Roca«. Hier melde ich mich an und bekomme einen Stempel auf den Informationsflyer. Dieser ist auf Deutsch, sehr übersichtlich und gut gemacht. Mit einem Verzeichnis aller Beobachtungshütten und Plattformen.
Ich studiere vor Ort die Informationstafeln, die mir vier Routen anbieten, und entscheide mich für die erste kleine, 800 Meter lange Tour »Es Cibollar« (lila). Auf dem Weg dorthin überquere ich zwei Kanäle. Und finde auch schon die erste südländische Besonderheit, das Kammblässhuhn (Bild). Ich habe Glück, dass es im Prachtkleid zu bewundern ist, leicht zu erkennen an den beiden kleinen dunkelroten Höckern über dem weißen Stirnschild. Diese bilden sich nach der Brutzeit wieder zurück und dann sind Kammblässhühner von den »normalen« Blässhühnern sehr schwer zu unterscheiden.
Durch einen laubenartigen Gang (Bild) gelange ich zur ersten Beobachtungshütte (Bild). Es ist eine kleine, niedrige, ganz geschlossene Hütte. Alles ist sehr dunkel und man muss sich erst zurechtfinden, um die Schlösser für die Sehschlitze zu finden. Wenn diese dann geöffnet sind, hat man einen großartigen Blick auf das Feuchtgebiet »Es Cibollar« (Bild). Im Hintergrund sieht man bereits die Hotelanlagen, die seit den 1960er-Jahren den Norden des Naturparks begrenzen.
In der Hütte sind unter den Öffnungen Sitzbänke und kleine Ablageflächen angebracht. Eine tolle Sache für Fernglas-Beobachter und Fotografen, weil man die Arme aufsetzen kann. Ich bin jedoch erstmals sehr enttäuscht, weil ich mein Spektiv vorne an den Öffnungen nicht aufstellen kann, da die Holzbänke stören. Aber bei dieser Hütte habe ich Glück, dass an der hinteren Wand auch noch eine Bank steht. Da kann ich mich setzen und vor mir das Spektiv aufbauen. Das funktioniert allerdings nur, wenn wenig Leute in der Hütte sind. Was im Dezember der Fall ist ;-).
Als Erstes höre ich die hellen und klaren »krrik«-Balzrufe der Krickenten (Bild) und sehe, wie die Männchen die Weibchen umkreisen. Elegante Stelzenläufer (Bild) waten mit ihren langen Beinen durch das seichte Wasser. Etliche gesellen sich zu einer Gruppe von Dunklen Wasserläufern (Bild) – die mit den orangefarbenen Beinen –, die gerade ein Nickerchen machen. Den Großen Brachvogel (Bild) kann ich erst bestimmen, als er zufällig einmal seinen Schnabel zeigt, und bei der Bekassine (Bild) freue ich mich, da ich sie auf den ersten Blick erkenne. Sie verbringt den Winter in diesen wärmeren Gefilden und fliegt dann hoffentlich wieder nach Deutschland. Immerhin ist sie »Vogel des Jahres« 2013.
Drei Rosaflamingos (Bilder) stehen im Wasser. Es sind meine Ersten. Es dauert ein bisschen, bis sie ihren Mittagsschlaf unterbrechen und ihren Schnabel zeigen. Im Jugendkleid sind sie graubraun, im 2. Kalenderjahr werden sie weiß, bevor sie schließlich ihr rosa Gefieder bekommen.
Vor mir raschelt etwas im braunen Gras. Es ist sehr leicht zu entdecken und zu bestimmen: blaues Gefieder und ein riesengroßer, knallroter Schnabel mit einer roten Stirnplatte. Das Purpurhuhn (Bilder), das in dieser Gegend schon ausgestorben war, wurde erfolgreich wieder eingesetzt und ist heute im Naturpark häufig zu sehen. Es ist schön zu beobachten, wie der außergewöhnliche Vogel mit seinen langen Krallen Pflanzen aufnimmt, diese festhält und daran herumknabbert.
Bevor ich mich auf den Rückweg mache, gehe ich noch kurz zum anderen Teich namens »Sa Roca«. Und hier sehe ich meine ersten Seeregenpfeifer (Bild), die in der abendlichen Sonne entspannt im Wasser stehen. Sie überwintern in Südwesteuropa und Nordafrika.
Unterwegs im Schilf fotografiere ich einen mir leider unbekannten Vogel (Bild). Trotz Bestimmungsbuch kann ich ihn nicht identifizieren. Vielleicht erkennt ihn ja jemand. Auf dem Weg entlang des Großen Kanals – es ist ungefähr 17 Uhr – höre ich plötzlich ein rauschendes Geräusch am Himmel, das immer näher kommt. Über mir fliegen Tausende Stare, die sich in der Nähe auf Bäumen sammeln und dann ihre Schlafplätze aufsuchen. Ein super Tag, ich habe vier neue Arten* gesehen.
Vogeltagesliste: Zwergtaucher, Kormoran, Nachtreiher (24), Seidenreiher, Graureiher, *Rosaflamingo (3), Brandgans (4), Stockente, Schnatterente, Löffelente, Krickente (balzend), Kolbenente, Reiherente, Rohrweihe, Turmfalke, Teichhuhn, Blässhuhn, *Kammblässhuhn, *Purpurhuhn, Stelzenläufer, Sandregenpfeifer, *Seeregenpfeifer (ca. 30), Alpenstrandläufer (SK), Dunkler Wasserläufer (SK), Großer Brachvogel (1), Bekassine (2), Mittelmeermöwe, Ringeltaube, Bachstelze, Rotkehlchen, Schwarzkehlchen, Amsel, Star, Sperling, Buchfink, Grünfink