Sonntag, 4. September 2016 (bedeckt, teils wolkig, teils sonnig, 10 bis 15 Grad, regnerischer Herbsttag), Dithmarscher Speicherkoog, Wöhrdener Loch, 10 bis 16 Uhr
Nach meiner Helgoland-Tour im Mai 2014 war klar, dass ich unbedingt wieder an die Nordsee will. Einen Knutt hatte ich in Istrien schon gesehen, aber mal so richtig viele Knutts – das wäre schön. Nun ist es soweit. Gestern reiste ich mit dem Zug über Hamburg und Heide nach Büsum. Leider kam ich mit einer einstündigen Verspätung an, aber die Zeit reichte noch, um mir ein Fahrrad zu besorgen. Auch wenn heute Regen vorhergesagt wird, will ich raus in die Natur. Von Büsum geht es erst in östlicher Richtung und dann nach Süden entlang des Deiches. Eine Informationstafel (Bild) bei Warwerort gibt Auskunft zum Naturschutzgebiet Wöhrdener Loch. Ich hoffe sehr, dass sich der angekündigte Beobachtungsstand als eine geschlossene Hütte entpuppt. Denn gerade als ich bei der Hütte (mit Dach!) ankomme, beginnt es heftig zu regnen.
Zwei kleine flache Seen (Bild), eingebettet in einer weiten Wiesenlandschaft, liegen vor mir. Ich bin etwas enttäuscht, da kaum Vögel zu sehen sind. Dafür werde ich aber mit einem Seeadler (Bild) entlohnt, der im Regen anscheinend keine Lust auf Fliegen hat. Am nahen Ufer sucht ein Flussuferläufer (Bild) nach Fressbarem. Und dann taucht ein typischer Küstenbewohner – ein Austernfischer (Bild) – auf und bringt ein bisschen Farbe in den grauen Tag. Um die Mittagszeit sehe ich fünf Löffler (drei davon auf dem Bild) am Ufer entlang waten. Die großen, weißen Vögel mit ihren unverkennbaren Schnäbeln sind auch hungrig. Mit pendelartigen Bewegungen ziehen sie ihren löffelartigen Schnabel durch das seichte Wasser (Video > Youtube) um kleine Fische oder andere kleine Wassertiere zu erbeuten. Beim Zaun zwischen den beiden Wasserflächen haben sich einige Großmöwen versammelt. Eine fällt besonders auf, da sie größer ist und fast schwarze Flügel hat. Es ist eine Mantelmöwe (Bild). Eine weitere (Bild) hält sich nicht weit davon am Ufer auf und frisst einen toten Vogel (Ente?).
Mir fällt auf, dass sich mittlerweile die Uferzonen gefüllt haben. Immer wieder fliegen große Trupps aus Richtung Meer ein. Man hört die flötenden Rufe der Großen Brachvögel und ein Trupp kreist einige Male über dem Gebiet und landet dann im flachen Wasser. Mit der Zeit werden es immer mehr Große Brachvögel (Bilder). Ich schätze um die 200 Individuen. Darunter auch 100 Pfuhlschnepfen, manche noch im ziegelroten Prachtkleid, andere schon im graubraunen Schlichtkleid. Auch Bekassinen »wuseln« zwischen den langen Beinen der Brachvögel hin und her und manchmal scheint es dass die großen Vögel deshalb genervt sind. Es ist faszinierend so viele Große Brachvögel auf einem Fleck zu sehen. Immer wieder durchsuche ich die Schar, denn es könnte ja ein Regenbrachvogel darunter sein. Zu erkennen ist dieser an einer anderen Kopfzeichnung: ein heller Scheitelstreif wird seitlich von zwei dunklen Streifen begrenzt. Der Regenbrachvogel ist kleiner als der Große Brachvogel und sein Schnabel ist kürzer. Es ist aber gar nicht so einfach einen Regenbrachvogel in dieser Menge zu finden. Viele haben Kopf und Schnabel in ihr Gefieder gesteckt und stehen unbeweglich im flachen Wasser. Aber ich finde in dem Trupp einen Regenbrachvogel (Bild). Ein zweiter taucht dann noch zwischen den Lachmöwen (Video > Youtube) auf. Der Regenbrachvogel brütet in Mooren hoch im Norden, in den Tundren und der Taigazone Eurasiens. In Mitteleuropa ist er im Frühjahr und im Herbst ein regelmäßiger Durchzügler. Meist einzeln oder in kleinen Gruppen ist er dann an der Küste, aber auch im Binnenland zu sehen. Er überwintert an afrikanischen Küsten.
Mittlerweile habe ich von einem Vogelbeobachter, der schon viele Jahre hier seinen Urlaub verbringt, erfahren, dass heute kurz vor 16 Uhr die Flut am höchsten ist (= Hochwasser). Das erklärt, dass sich im Laufe des Nachmittags immer mehr Vögel in dieses Schutzgebiet zurückgezogen haben. Während des Niedrigwassers finden die Vögel im Watt reichlich Nahrung. Nun ist Zeit für Gefiederpflege und Ausruhen. Das Wetter hat sich auch schon gebessert und die Sonne kommt immer öfter zum Vorschein. Auf den Wiesen und Quellerflächen suchen Pfeifenten (Bild) und Stare (Bild), die gerade aus ihrem graubraunen Jugendkleid ins gepunktelte Schlichtkleid wechseln nach Nahrung. Und ein Zwergstrandläufer (Bild) legt auch eine Rast am Ufer ein.
Vogeltagesliste (Anzahl ist jeweils geschätzter Wert): Höckerschwan, Graugans, Brandgans (50), Stockente, Schnatterente, Löffelente (30), Pfeifente (30), Krickente, Jagdfasan, Kormoran, Silberreiher, Graureiher, Löffler (5), Seeadler (2), Rohrweihe, Blässhuhn, Austernfischer (2), Sandregenpfeifer, Goldregenpfeifer, Kiebitz, Steinwälzer (10), Alpenstrandläufer (10), Sichelstrandläufer (?), Zwergstrandläufer, Flussuferläufer, Rotschenkel, Grünschenkel, Pfuhlschnepfe (100), Großer Brachvogel (200), Regenbrachvogel, Bekassine, Kampfläufer (50), Lachmöwe, Sturmmöwe, Silbermöwe, Mantelmöwe (2), Ringeltaube, Türkentaube, Rauchschwalbe, Mehlschwalbe, Bachstelze, unbestimmte Schafstelze, Steinschmätzer, Blaumeise, Kohlmeise, Dohle, Rabenkrähe, Star, Haussperling