Sonntag, 21. April 2013 (bedeckter Himmel, grau, diesig, nachmittags etwas Sonne, ca. 10 bis 14 Grad, trüber Frühlingstag), Ismaninger Speichersee, 9.30 bis 16.30 Uhr
Nach ein paar sommerlich warmen Tagen hatte sich Freitag abend das Wetter verschlechtert. Es hatte stark geregnet und es ist kühl geworden. Auch für Samstag wurde schlechtes Wetter vorhergesagt. Deshalb wollte ich »eigentlich« nicht zum Vogelgucken. Aber gerade wegen des Tiefdruckgebiets haben viele durchziehende Vögel eine Pause eingelegt. Und ich las von Hunderten von Schafstelzen und jeder Menge rastender Limikolen. Die Neugier siegt. So beschließe ich am Sonntag trotz des trüben kalten Wetters zum Speichersee zu fahren.
Auf den Feldern südlich des Kanals am Ostbecken grasen ungefähr 15 Weißwangengänse (Bild). Auf einem Acker sehe ich unter einigen Wiesenschafstelzen auch einen Bergfink (Bild). Die Rauchschwalben (Bild), die sonst hoch oben ihre Kreise ziehen, legen immer wieder eine kurze Rast auf einem Baum ein. Auf der Brücke über den Kanal sitzt mir ein Buchfink (Bild) Modell. Und immer wieder sehe ich einen kleinen Trupp Wiesenschafstelzen durch die Gegend fliegen. Eine Wiesenschafstelze (Bild) bringt sich auf einem Baum in Sicherheit, so dass ich sie in Ruhe ansehen kann. Mittlerweile habe ich Verstärkung durch Markus Beser von der Fachgruppe Ornithologie des LBV Münchens bekommen. Wir entdecken eine kleine, unscheinbar aussehende Limikole, die am Ufer des Kanals nach Futter sucht. Ich kann sie nicht identifizieren, weil sie mir viel zu weit weg ist. Markus meint anfänglich, dass es ein Temminckstrandläufer ist, aber nachdem wir im Bestimmungsbuch nachsehen und der Vogel vor uns dunkle Beine hat, fällt die Entscheidung auf einen Zwergstrandläufer. Einige Wochen später erhalte ich eine Meldung von erfahrenen Vogelbeobachtern, die in dem Foto einen Temminckstrandläufer erkennen. So werden nochmals weitere Ansichten des Vogels studiert und meine Helfer und ich sehen das breite Brustband, eine leicht graubraune Oberseite und dass der Schwanz etwas länger ist. All das macht klar, dass es doch ein Temminckstrandläufer (Bild) ist. Das Dunkel der Beine ist wohl auf zu wenig Licht zurückzuführen. Ganz schön kompliziert so eine Bestimmung ;-). Ich sag mal auf diesem Weg allen Beteiligten ein herzliches Dankeschön.
Aber nun zurück an den Speichersee. Im Ostbecken ist heute nicht viel zu sehen. Die erwarteten Limikolen sind wohl schon wieder weiter gezogen. Aber Zwergmöwen (eine davon im Bild) mit ihrem vollkommen schwarzen Kopf und dem schwarzen Schnabel sind heute schön zu beobachten und ich kann auch eine fotografieren. Man kann die Zwergmöwen ganz gut bestimmen, weil sie gerne ihre Nahrung von der Wasseroberfläche picken und das andere Möwen nicht machen.
Es sind noch einige Birder dazugekommen und wir erfahren mehr von den gestrigen Sichtungen. Das veranlasst uns, die Wiesen und Äcker südlich des Ostbeckens genau abzusuchen. Und plötzlich wird alles ziemlich spannend. Auf einem Acker befinden sich einige hundert Schafstelzen – überwiegend Wiesenschafstelzen – die wie gelbe kleine Lämpchen zwischen den schwarzen Erdbrocken ab und zu aufleuchten. Es ist wie ein Rätselbild. Mittlerweile stehen fünf versierte Vogelkenner am Rande des Ackers und ich darf zuschauen und mitfiebern.
Wer sieht was? Und wo? Welcher Vogel ist es? Es ist spannender als ein Krimi. Eine Schafstelze mit schwarzen Kopf und Nacken wird gesichtet. Es ist eine männliche Maskenschafstelze (Typ feldegg, siehe Bild), die im östlichen Raum Europas (Balkan, Türkei, Kaukasus) lebt und sehr selten bei uns zu sehen ist. Auch eine männliche Zitronenstelze im ersten Winterkleid (Bilder) wird entdeckt. Sie hat noch nicht den gelben leuchtenden Kopf des Prachtkleides und sieht somit sehr unscheinbar aus. Auch dieser Vogel ist ein sehr seltener Gast in Mitteleuropa, sein Hauptverbreitungsgebiet liegt in Südostasien. Beide Vögel werden der »Dokumentationsstelle für seltene Vogelarten« in der Bayerischen Avifaunistischen Kommission (BAK) gemeldet.
Und zwischen all den Schafstelzen tummeln sich noch Thunberg-Schafstelzen (grauer Kopf), die ich allerdings – wohl vor lauter Aufregung – nicht gesehen habe. Eine von mir nicht zu bestimmende Schafstelze (Bild) – grauer Kopf, helle Kehle, kein erkennbarer Überaugenstreif – konnte ich allerdings noch fotografieren. Ist es vielleicht eine Aschkopf-Schafstelze (Typ cinereocapilla) oder eine Wiesenschafstelze (Typ flava) mit heller Kehle? Neben der am häufigsten vorkommenden Wiesenschafstelze, die bei uns auch brütet, kann man zur Zugzeit nämlich weitere Schafstelzen-Variationen entdecken. Ungefähr neun Varianten leben im europäischen Raum und nur durch oft minimale farbliche Veränderungen am Kopf und an der Kehle kann man sie, bzw. versucht man sie einzuordnen. Auch Ornithologen sind noch heftig am Diskutieren und das Thema ist noch lange nicht erschöpft. Für mich aber war es ein aufregender Tag mit all den Schafstelzen. Und auch noch lieben Dank an die Birder, die mich daran teilnehmen ließen.
Vogeltagesliste: Zwergtaucher, Haubentaucher, Kormoran, Graureiher, Graugans, Weißwangengans (ca. 15), Stockente, Schnatterente, Pfeifente, Knäkente (1), Kolbenente (2), Reiherente, Schellente (4), Sperber, Baumfalke (5), Wanderfalke (1), Blässhuhn, Kiebitz, Zwergstrandläufer (1), Flussuferläufer (2), Lachmöwe, Zwergmöwe (ca. 50), Trauerseeschwalbe (ca. 10), Kuckuck, Mauersegler, Feldlerche, Rauchschwalbe, Bachstelze, Wiesenschafstelze (ca. 200), Maskenschafstelze (1), Zitronenstelze (1), Singdrossel, Wacholderdrossel, Amsel, Mönchsgrasmücke, Zilpzalp, Fitis (singend), Kohlmeise, Blaumeise, Kleiber, Rabenkrähe, Star, Buchfink, Bergfink, Grünfink, Rohrammer, Goldammer
