Montag, 4. Juni 2018, Wald bei Tabassüm, 6 bis 7 Uhr, Talysch-Gebirge bei Mistan (Zuvand, Lerik), 9 bis 13.30 Uhr, 14 bis 25 Grad, sonnig, wolkig; Aue (Zuvand, nahe Lerik) 14 bis 16.30 Uhr, 24 Grad, sonnig
Die Hotelanlage Tabassüm liegt ungefähr 20 Kilometer westlich der Stadt Länkäran inmitten eines wunderschönen Laubwaldes (Bilder). Um 6 Uhr treffe ich Michael und wir machen einen kurzen Spaziergang durch die urwüchsige Landschaft. Überall singt und trällert es. Tannenmeise, Buchfink, Gelbspötter und auch ein Zwergschnäpper sind zu hören. Letzteren habe ich bei einem abendlichen Spaziergang noch gut sehen können. Michael zeigt mir im dichten Blätterwerk einen jungen Specht mit einem bräunlichen Bauch. Dies sei, so Michael, eine noch neue Art, Dendrocopos poelzami, so neu, dass sie noch keinen deutschen Namen hat. An einer Felsenwand in der Nähe des Baches hat sich eine Gebirgsstelze in einer Nische ein Nest gebaut. Ich habe nun auch einmal Gelegenheit, mir unser Quartier genauer anzuschauen. Die Hotelanlage Tabassüm (Bilder) mit ihren unterschiedlich großen Holzhäusern liegt direkt am Bach. Im Haupthaus sind das Restaurant und die Küche untergebracht. Unser Frühstückshäuschen thront auf einem Felsvorsprung, darunter befindet sich ein kleiner Raum, der überall mit Muscheln dekoriert ist. Im Wald stehen mehrere Verandahäuschen, in denen man sich an Sommerabenden treffen kann. Übernachtet haben wir in kleinen Blockhütten, die einige Meter vom Hauptplatz entfernt liegen.
Nach dem Frühstück werden wir um 7.45 Uhr von unseren Fahrern abgeholt. Es geht wieder ins Gebirge, diesmal in das 20 Kilometer südlich von Lerik (Bild) gelegene Dörfchen Mistan. Unterwegs können wir einen Schreiadler (Bild) bewundern. Das Talysch-Gebirge (Bilder) zeigt sich heute von seiner sonnigen Seite. Die Fahrer bringen uns bis zum Fuß des Gebirges – so weit es der Allradantrieb zulässt. Unser Wunschvogel ist heute der Weißkopfsänger, aber auch die Steinbraunelle könnte hier schon zu finden sein. Bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen wandern wir bergwärts, vorbei an großen Gewürzstauden (ist es Dill oder Fenchel?). Eine Ohrenlerche (Bilder) und ein Isabellsteinschmätzer (Bild) präsentieren sich auf einem Felsen. Und die kaukasische Ringdrossel (Bild) ist in diesen Höhen auch zu Hause. Auf Nahrungssuche ist ein Neuntöter (Bild), der auf seiner Warte sitzt. Aber eine ganz besondere Freude ist es für mich, auch heute den Steinrötel (Bilder) wieder anzutreffen und aus nächster Nähe beobachten zu können. Auch ein Jungvogel mit seinem bräunlich gebänderten Gefieder zeigt sich. Der Steinrötel ist hier ein Sommervogel, er überwintert südlich der Sahara. Während ich noch mit dem Steinrötel beschäftigt bin, gibt Michael ein Zeichen. Schnell ist alles zusammengepackt und ich eile zu ihm. Er hat in einem Busch einen Weißkehlsänger (Bilder) entdeckt. Der Vogel besticht durch sein schönes Gefieder: bleigraue Oberseite, weißer Überaugenstreif, schwarze Kopfseiten, weißer schmaler Kehlfleck, Brust und Bauch sind orangefarben. Er brütet an trockenen Felshängen, gerne über 1000 Meter hoch, in dichtem Gebüsch oder einzelnen Bäumen. Der Lebensraum des Weißkehlsängers erstreckt sich von der Türkei bis nach Afghanistan, wo er von Ende April bis in den August vorzufinden ist. Die Überwinterungsgebiete liegen in Ostafrika. Seine Vorliebe für dichtes Gebüsch wird auch heute deutlich. Nur wenige Momente lang zeigt er sich, die meiste Zeit hält er sich im Buschwerk verborgen. Während ich warte, dass er aus der Deckung kommt, singt ganz in der Nähe eine Sperbergrasmücke (Bild). Markus ruft mir zu, wie toll sie zu sehen sei. Aber ich bin so angetan von »meinem« Weißkehlsänger, dass ich mich gar nicht »um sie kümmern« kann.
Nach dieser tollen Sichtung geht es weiter bergauf. Vielleicht finden wir ja noch die Steinbraunelle? Sie taucht leider nicht mehr auf, aber eine Zippammer (Bild) zeigt sich, ganz entspannt auf einem dürren Zweig. Der Aufstieg (Bild) ist etwas anstrengend, aber dafür werden wir mit einem tollen Blick auf das Nachbarland Iran entschädigt, das ungefähr 500 Meter (Luftlinie) entfernt beginnt. Wir können den schneebedeckten Gipfel des dritthöchsten Berges, den 4811 Meter hohen Sabalan (Bild), sehen. Sogar der Grenzzaun auf dem Bergkamm ist zu erkennen. Auch der Blick auf den Boden vor unseren Füßen hält schöne Überraschungen bereit. Der Mohn (Bild), vermutlich Türkischer Mohn, streckt uns seine leuchtend roten Blüten entgegen, Schmetterlinge wie der Bläuling (Bild) und ein Scheckenfalter (Bild) laben sich an den Blüten. In der Nähe einer Wasserstelle halten sich um die zehn Felsenschwalben (eine davon im Bild) auf und ein Steinsperling (Bild) macht sich mit seinen Rufen bemerkbar. Oben angekommen, werden wir mit einem großartigen Ausblick belohnt, weit entfernt ziehen ca. 1000 Mauersegler vorbei. Auch ich habe es geschafft, natürlich wie immer inklusive Spektiv ;-)). Nach einer kleinen Stärkung steigen Markus, Michael und ich wieder ab (Bild).
Für unser mittägliches Picknick und auch zur weiteren Vogelbeobachtung hat Michael einen wunderschönen Platz ausgesucht: eine idyllische Auenlandschaft (Bilder) mit einem Bach, grünen Wiesen und schattigen Plätzen unter Bäumen. Ein Seidensänger, den ich von Mallorca her kenne, schmettert laut und ausdauernd von der anderen Seite des Baches zu uns herüber. Nach der Brotzeit mache ich mich auf den Weg, um das schöne Fleckchen zu erkunden. Ich vernehme das tiefe, wohlklingende »huup huup huup« des Wiedehopfs (Bild, Video > Youtube) und entdecke ihn auch sehr schnell. Im Film ist schön zu beobachten, dass er erstmal mit Gefiederpflege beschäftigt ist, dann aber die Rufe seines Artgenossen oder einer Artgenossin wahrnimmt und zurückruft. Bei seinen Huup-Huup-Rufen beugt er jeweils den Kopf nach vorne. Auch das melodische Flöten (Tonbeispiel > xeno-canto.org) eines Pirols (Bild) tönt durch die Aue. Der knallig gelbe Vogel ist zwar per Gesang einfach zu bestimmen, aber im dichten Blätterwerk trotz seines auffälligen Gefieders nicht leicht auszumachen. Es dauert …. aber dann habe ich ihn wunderschön im Spektiv! Nicht weit davon liefern sich Blutspechte (Bilder), Männchen und Weibchen, eine rasante Verfolgungsjagd. Ein anderer, etwas unscheinbarer Vogel steht noch im Fokus meines Interesses. Am Ende des Weges finden Markus und ich den Halbringschnäpper (Bilder). Es ist ein Weibchen, deshalb nicht einfach zu bestimmen. Aber die beiden anderen, ähnlich aussehenden Arten Trauerschnäpper und Halsbandschnäpper kommen in Aserbaidschan nicht vor. Der Halbringschnäpper brütet gerne in Laub- und Mischwäldern in unteren und mittleren Gebirgslagen, oft an Flussläufen. Und zum Abschluss des Tages hat Markus noch einen kaukasischen Gartenrotschwanz (Bild) in voller Pracht »erwischt«.
In Tabassüm angekommen besuchen wir noch zwei Frauen, die uns zeigen, wie in Aserbaidschan Brot gebacken wird. Die Teigfladen werden in einem großen, runden Backofen (Bild) an die Innenwände geklatscht und dann dort gebacken.
Vogelliste Wald bei Tabassüm: Kleiber, Buntspecht, Gelbspötter, Zwergschnäpper, Buchfink, Gebirgsstelze, Zaunkönig, Tannenmeise, Mönchsgrasmücke, Rotkehlchen, Specht Dendrocopos poelzami*
Vogelliste Talysch-Gebirge und unterwegs: Neuntöter, Sperbergrasmücke, Steinrötel, Schreiadler, Adlerbussard, Felsenschwalbe, Kuckuck, Mauersegler (ca. 1000), Karmingimpel, Steinschmätzer, Isabellsteinschmätzer, Ohrenlerche penicillata, Bergpieper, Baumpieper, Weißkehlsänger*, Hausrotschwanz, Bienenfresser, Kaukasus-Ringdrossel, Felsenkleiber, Steinsperling, Bluthänfling, Alpenbraunelle, Heidelerche, Schwarzkehlchen
Vogelliste Aue (Zuvand): Wiedehopf, Blutspecht, Bachstelze, Gebirgsstelze, Gartenrotschwanz, Amsel, Dorngrasmücke, Elster, Star, Pirol, Blassspötter, Halbringschnäpper*, Kohlmeise, Seidensänger
(* = meine persönliche Erstsichtung)