Heiliger Ibis in Dießen am Ammersee

Sonntag, 15. Dezember 2013 (bedeckt, nachmittags Sonne, ca. 4 Grad, grauer Wintertag), Ammersee-Süd (Fischener Bucht, Binnensee, Dießen), 10.15 bis 15.45 Uhr
Ich muss gestehen: Wenn ich von einer Art lese, die in meinem näheren Umfeld gemeldet wird und die ich noch nie gesehen habe, fällt die Entscheidung, wohin ich fahre, sehr schnell. Irgendwann wird sich dieser Drang auch wieder legen, aber momentan gehe ich mit viel Freude auf die Suche nach dem Vogel.
Tags zuvor sind am Binnensee (Ammersee-Süd) Singschwäne gesichtet worden. Deshalb geht es heute an den Ammersee. Erster Halt ist Aidenried. Von hier kann man morgens gut – da ohne Gegenlicht – die Fischener Bucht einsehen. Und ich habe Glück und entdecke schnell eine Singschwan-Familie (2 adulte und 3 immature Vögel) (Bild). Mein Foto ist ziemlich schlecht, muss aber sein, weil es meine erste Sichtung ist. Das Wetter ist diesig und die Sicht sehr schlecht. Deshalb mache ich mich auf den Weg zum Binnensee. Zu dieser Jahreszeit war ich noch nie an der Südspitze des Sees. In und an den Ufern der Ammer sind Zwergtaucher und Wasseramseln unterwegs. Entlang des Weges begleitet mich eine Weile ein Trupp Schwanzmeisen. Ein Gimpel-Mann und mehrere Gimpel-Weibchen (eines davon im Bild) sitzen in der Krone einer Esche (?), zupfen die Früchte ab und holen sich die Samen raus. Am Binnensee steht ein einsamer Silberreiher (Bild) auf dem Eis des nicht ganz zugefrorenen Wassers.
Mein nächster Halt ist Dießen am Ammersee. Ein Heiliger Ibis hält sich dort seit Ende November auf. Ich nähere mich langsam und vorsichtig dem Dampfersteg. Ich entdecke eine Sturmmöwe (Bild), halte aber Ausschau nach dem Heiligen Ibis. Schnell kommt eine Frau auf mich zu und fragt, ob ich den Vogel sehen will. Na klar, will ich. Der Heilige Ibis (Bilder) steht ruhig und gelassen auf dem Holzsteg. Ich halte Abstand, um ihn nicht zu stören. Aber der Vogel ist offensichtlich an Menschen gewöhnt. Einige nähern sich ihm bis auf einen Meter. Macht ihm nichts aus. Er ist vermutlich ein Gefangenschaftsflüchtling. Mit dem rechten Bein hinkt er etwas. Dieser Vogel mit dem blauen Ring und der weißen Aufschrift »BY« ist in der Orni-Szene schon bestens bekannt. Ende Oktober wurde er im Münchner Olympiapark und im Neuen Südfriedhof gesehen, anschließend bis Ende November im Nymphenburger Schlosspark. Am 29. November wurde er erstmals in Dießen gesichtet und hält sich seitdem hier auf. »Ibo« wird er mittlerweile genannt und die Dießener kümmern sich um ihn. Bei der Brotverteilung zieht er gegenüber den aggressiven Lachmöwen den Kürzeren. Aber ein Herr bringt Krabben und wirft sie ihm vor die Füße. Es ist interessant zu sehen, wie die Menschen am Schicksal dieses Vogels, der in Afrika beheimatet ist, Anteil nehmen. Eine Frau erzählt mir, dass bereits Versuche unternommen wurden, ihn einzufangen. Aber bisher hat es nicht geklappt. Der Vogelpark Olching würde ihn aufnehmen. So hoffe ich, dass der Heilige Ibis bald ein schönes Plätzchen zum Überwintern bekommen wird.

Vogeltagesliste Fischener Bucht: Zwergtaucher, Haubentaucher, Kormoran, Silberreiher (ca. 5), Graureiher (1), Singschwan (2 adult, 3 immatur), Höckerschwan, Graugans, Stockente, Schnatterente, Reiherente, Schellente, Gänsesäger (ca. 10), Blässhuhn, Mittelmeermöwe, Sturmmöwe (?), Buntspecht, Amsel, Kohlmeise, Blaumeise, Sumpfmeise, Kleiber, Eichelhäher, Rabenkrähe, Kernbeißer
Damm zum Binnensee: Zwergtaucher (2), Mäusebussard, Eisvogel (1), Wasseramsel (2), Kohlmeise, Blaumeise, Schwanzmeise (ca. 6 bis 10), Gartenbaumläufer, Gimpel (ca. 5)
Dießen am Ammersee (Dampfersteg): Kanadagans (1), Stockente, Blässhuhn, Lachmöwe, Mittelmeermöwe, Heiliger Ibis (1), Schwanengans (5), Sturmmöwe

singschwan_ammersee_sued_2013-12-15_0967
Singschwäne, Fischener Bucht (Ammersee-Süd), Dezember 2013
gimpel_ammersee_damm_2013-12-15_1050
Gimpel-Weibchen, Ammersee-Süd, Dezember 2013
silberreiher_ammersee_binnensee_2013-12-15_1106
Silberreiher, Ammersee-Süd, Dezember 2013
sturmmoewe_diessen_2013-12-15_1410
Sturmmöwe, Dießen (Ammersee), Dezember 2013
hl_ibis1_diessen_ammersee_2013-12-15_hofbauer_1207
Immaturer Heiliger Ibis, Dießen (Ammersee), Dezember 2013
hl_ibis2_diessen_ammersee_2013-12-15_hofbauer_1223
Heiliger Ibis, Dießen (Ammersee), Dezember 2013
hl_ibis3_diessen_ammersee_2013-12-15_hofbauer_1338
Heiliger Ibis, Dießen (Ammersee), Dezember 2013
hl_ibis4_diessen_ammersee_2013-12-15_hofbauer_1436
Heiliger Ibis, Dießen (Ammersee), Dezember 2013

4 Gedanken zu „Heiliger Ibis in Dießen am Ammersee

  1. Grüß Gott, ich fand diese Seite, nachdem ich über den Ibis am Ammersee recherchiert habe. Jemand hatte mir diese unglaubliche Geschichte erzählt.

    Ich finde die Website außerordentlich übersichtlich aufgebaut. Sehr beeindruckend!

  2. Eine schöne Beschreibung! Ob die Singschwäne immer noch da sind?
    Den “Ibo” besuchen wir immer wieder und freuen uns daran ihn zu beobachten. Offensichtlich fühlt er sich ja sehr wohl. Warum er unbedingt eingefangen (gegebenenfalls sogar abgeschossen!) werden soll, damit er die heimischen Vögel nicht verdrängt, können wir nicht nachvollziehen. So ist doch zum Beispiel die kleine Schar Schwanengänse, ebenfalls “Gefangenschaftsflüchtlinge”, die sich seit einigen Jahren am und im Ammersee tummeln eine Bereicherung. Die Gefahr, dass er sich unkontrolliert vermehren könnte, ist derzeit außerdem wohl eher nicht zu befürchten. Das andere Argument, dass er eingefangen werden soll, weil er möglicherweise den Winter nicht überleben könnte, halten wir auch für wenig stichhaltig, die Ibisse bei Ismaning haben bisher auch überlebt. Wir sind der Meinung, man sollte ihn in Ruhe beobachten und erst eingreifen, wenn es unbedingt notwendig erscheint. Die bisherigen eher dilettantischen Fangversuche haben ihn jedenfalls unnötig gestresst.

    1. Hallo Silke,
      hier schreibt Dir eine Namensbase – vielleicht einmal ein paar Hintergrundinformationen zum Heiligen Ibis. So sollte jener am Ammersee auch eingefangen werden, weil er 1. jemandem gehört und weggeflogen ist und 2. im Dezember verletzt wurde und nicht klar war, ob er das ohne Hilfe übersteht. Anscheinend geht es ihm aber wieder ganz gut.
      Normalerweise würde das nicht so viel Aufsehen erregen, nun hat es aber zeitgleich am Ismaninger Speichersee 2013 die deutsche Erstbrut Heiliger Ibisse gegeben. Erfahrungen mit Heiligen Ibissen unter anderem in Frankreich, wo sich aus Gefangenschaftsflüchtlingen innerhalb von ca. 30 Jahren Populationen von mehreren Tausend Exemplaren entwickelt haben, sollen gezeigt haben, daß dies nicht unproblematisch für heimische bodenbrütende Vögel wie Kiebitze, Brachvögel oder Seeschwalben vonstatten geht. Darum will man die Heiligen Ibisse im Großraum München lieber wieder der Natur “entnehmen”.

      Ich will gar nicht beurteilen, inwieweit dies im vorliegenden Fall berechtigt ist.
      In den meisten Fällen ist es bei Vögeln und auch Säugetieren nicht notwendig, gegen Exoten vorzugehen. Die von Dir angesprochenen Höckergänse stellen z.B. keine Gefahr für heimische Vögel dar; auch nicht die in Deutschland eingebürgerten Kanadagänse.
      Für ‘Ibo’ wäre es allerdings schon besser, wenn er “nach Hause” kommen würde, wo er auch Artgenossen findet und sein Leben nicht allein fristen muß. Denn Ibisse sind keine Einzelgänger…

  3. Hallo Waltraud,
    mit großer Überraschung habe ich Deine Seite im Internet gefunden. Der Grund dazu war die Suche nach einem Vogel in Dießen am Ammersee, den ich auf dem Dampfersteg entdeckt habe, aber nicht kannte. Die suche im Internet hat ergeben, dass es ein Ibis sein müsste. Aber diese Art ist doch gar nicht heimische bei uns. Um so größer war mein Erstaunen, als ich genau diesen Vogel mit dem Fußring BY auf Deiner Seite fand. Da sieht man wieder wie klein doch die Welt ist. Habe mich aber sehr über Deinen Bericht gefreut. Ich hätte bei Interesse auch ein paar Fotos von dem Ibis.

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