Samstag, 5. November bis Sonntag, 6. November 2016 (stark bewölkt, mäßiger Regen, sonntags wolkig, später sonnig aber windig), Stausee Kelbra, Naturpark Kyffhäuser, Thüringen
Kraniche auf ihrem Herbstzug zu beobachten ist eines der Highlights jedes Vogelbeobachters. Da wir in Bayern nur sehr selten ziehende Kraniche sehen können, habe ich beschlossen, ihnen »nachzufahren«. Von ihren Brutgebieten im Nordosten Europas starten die Kraniche in ihre Überwinterungsgebiete in Frankreich, Spanien und zu einem kleinen Teil an die Küste Nordafrikas. Einer der wichtigsten Zugwege ist der westeuropäische, der von der Ostseeküste über das Rhein-Main-Gebiet nach Südwesten verläuft. Ab August verlassen die Kraniche ihre skandinavischen Brutgebiete und sammeln sich auf dem deutschen Festland. Bekannte Rastplätze sind die Region um Rügen, Darß und Zingst (Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft), Untere Oder, Mecklenburgische Seenplatte, Rhinluch, Havelländisches Luch (westlich von Berlin) und Diepholzer Moorniederung. Ein weiterer Sammel- und Schlafplatz liegt im thüringischen Naturpark Kyffhäuser. Zwischen den Orten Kelbra, Berga und Auleben liegt der einst zum Hochwasserschutz angelegte Stausee Kelbra (Plan).
Die Münchner Biologin Dr. Silke Sorge bietet eine 2-Tages-Exkursion mit dem Auto nach Kelbra an. Da ich im Herbst zu wenig Zeit habe, um in die Rügen-Region zu reisen, bietet sich für mich die »kleine« Kranich-Tour nach Thüringen an. Um 6:30 Uhr ist Treffpunkt im Münchner Norden. Wir sind eine kleine Gruppe mit insgesamt vier Teilnehmern. Gegen 14 Uhr sind wir bereits am Ziel. Das Wetter ist leider nicht besonders ideal. Starke Bewölkung und einsetzender Regen erschweren die Sicht. Ich bin schon ziemlich neugierig auf den Stausee. Zum Schutz der Kraniche darf der Damm am östlichen Ufer und weitere Bereiche westlich des Sees zu dieser Jahreszeit nicht betreten werden.
Wir suchen den Vogelturm am Ostufer des Sees. Vom Dach der ehemaligen Trafostation können wir auf das südliche Ufer des Sees (Bild) blicken. Einige Enten, Gänse und zwei Schwarzhalstaucher halten sich hier auf. Ich lerne auch gleich, dass sich tagsüber keine Kraniche auf dem See aufhalten. Um die Zeit bis zum abendlichen Kranicheinflug zu überbrücken, besuchen wir die Barbarossahöhle. Ab 15.30 Uhr begeben wir uns zur Vogelbeobachtungshütte auf dem Campingplatz. Leider ist die Sicht immer noch sehr schlecht. Aber im Laufe der nächsten eineinhalb Stunden fliegen die Kraniche (Bilder) aus allen Himmelsrichtungen ein. Immer wieder entdecken wir einen großen Trupp in Keilformation, verfolgen diesen, bis sich die Vögel am nördlichen Ufer des Stausees niederlassen. Und schon hören wir erneut die trompetenden Rufe (> xeno-canto.org) und ein neuer Trupp, diesmal in Linienformation, zieht über unsere Hütte. Es ist ein faszinierendes Spektakel. Wir schätzen, dass sich um die 20.000 Vögel hier einfinden. Anfangs halten sich die Kraniche am Ufer auf, aber wenn die Nacht einbricht, suchen sie die Flachwasserzonen auf. So sind sie vor Feinden wie dem Fuchs oder dem Wildschein besser geschützt.
Am nächsten Morgen wandern wir gegen 6.30 Uhr von unserer Unterkunft Richtung Stausee. Die Kraniche verlassen frühmorgens ihren Schlafplatz und fliegen in die Umgebung um sich auf den Äckern Futter zu suchen. Sie ernähren sich von Pflanzen, Getreide, alten Kartoffeln und Insekten. Nur ein paar Mal fliegt eine Gruppe über uns hinweg. Es scheint, dass sie sich diesmal eine andere Stelle für ihren Abflug ausgewählt haben. Na ja, kann man nichts machen. Nach einem ausgiebigen Frühstück machen wir uns auf die Suche nach den Kranichen. Um sie zu finden, benötigt man etwas Glück, da es keine festen Nahrungsplätze gibt. Wir haben Glück und finden zuerst auf einem Bergrücken einige hunderte Kraniche (Bild). Einige Zeit später entdecken wir in der Nähe von Auleben erneut eine Schar Kraniche (Bilder), die sich nicht weit von der Straße auf einem Acker aufhalten. Aus dem Auto heraus können wir die Vögel in aller Ruhe beobachten. Die Jungvögel haben noch nicht das markante schwarz-weiße Kopfmuster mit der roten Stirn, sondern einen hellbraunen Kopf. Auch die Schirmfedern am hinteren Ende sind noch deutlich kürzer als bei den Altvögeln.
Nach diesen schönen Beobachtungen verbringen wir den Rest des Nachmittags mit der Besichtigung des Kyffhäuser-Denkmals. Aber ab 16.15 Uhr sind wir wieder an der Vogelbeobachtungshütte und können erneut eine Stunde lang den unvergleichlichen Einflug der Kraniche beobachten. Diesmal ist die Sicht besser und ich kann ein Foto der rastenden Kraniche (Bild) am gegenüberliegenden Ufer machen. Ab ca. 17.30 Uhr machen wir uns auf den Heimweg nach München.
Mehr Informationen zum Kranich > Kranichschutz Deutschland und bei > Wikipedia.
Weitere Informationen und Flyer zum Gebiet > Naturpark Kyffhäuser.
Webseite von Silke Sorge > Gänsewelt > Exkursionen.
Vogelliste Samstag und Sonntag: Höckerschwan, Graugans, Rostgans (2), Nilgans (4), Blässgans, Stockente, Schnatterente, Löffelente, Tafelente, Reiherente, Schwarzhalstaucher (2), Haubentaucher, Gänsesäger, Kormoran, Graureiher, Silberreiher, Rotmilan, Sperber, Mäusebussard, Turmfalke, Blässhuhn, Kranich (geschätzte 20.000), Lachmöwe, unbestimmte Großmöwe, Rabenkrähe, Rotkehlchen, Hausrotschwanz