Montag, 26. Mai 2014 (teils bedeckt, teils sonnig, 13 bis 18 Grad, durchschnittliche Windstärke 30 km/h, Frühlingstag), Helgoland, Mittelland, Unterland, Oberland, 9 bis 17 Uhr
Wir haben noch nicht alle Ecken Helgolands gesehen. So führt unser Weg heute in den Südwesten, zum Mittelland (Bilder). Ein riesengroßer Krater liegt vor uns. Dieser entstand durch eine gewaltige Sprengung, die die Briten 1947 durchführten, um die militärischen Bunkeranlagen an der Südspitze Helgolands zu zerstören. Hier pfeift der Wind nicht ganz so stark, auch wachsen einige größere Bäume und dichtes Buschwerk an den steilen Rändern des Trichters. Da das Dickicht viel Schutz bietet, ist es ein guter Rastplatz für Kleinvögel. Für den Birder bietet das Gelände den Vorteil, dass man auch von erhöhter Warte die Hänge absuchen kann. Wir entdecken Bluthänflinge und Grauschnäpper (Bild).
Das nächste Ziel ist der nordöstliche Teil Helgolands, das Unterland (Bilder). Auf dem Weg Richtung Elektrizitätswerk gehen, vernehme ich Vogelgesang aus einem Baum. Da ich die Gesänge in vielen Fällen (noch) nicht bestimmen kann, suche ich den Vogel. Ich sehe einen Laubsänger, der einem Zilpzalp ähnelt. Da der Gesang aber deutlich anders ist, hören wir uns – nachdem der Vogel abgeflogen ist – eine Gesangsprobe (Tonbeispiel bei Xeno-Canto) auf dem Handy an. Es ist eindeutig ein Grünlaubsänger. Er ist in Helgoland ein seltener Vogel, wurde aber in den letzten Jahren regelmäßig gesichtet. Das Brutgebiet erstreckt sich von Nordosteuropa bis nach Sibirien. Sein Überwinterungsgebiet ist Indien. Obwohl ich wusste, dass sich ein Grünlaubsänger auf der Insel aufhält, habe ich nicht damit gerechnet, ihn zu sehen. Umso schöner, dass es geklappt hat. Nun gehe ich natürlich mit »gespitzten« Ohren den Weg weiter, immer in der Hoffnung, ihm nochmals zu begegnen.
In der Nähe des Kurgeländes höre ich erneut einen unbekannten Gesang > Tonbeispiel Avisoft Bioacoustics. Da man in Helgoland eine große Chance hat, Raritäten zu entdecken, ist klar, dass ich dieser Stimme folgen muss. Es ist wunderschön spannend und aufregend. Meistens dauert es etwas länger, bis ich einen Vogel bestimmen kann, aber wenn es gelingt, ist die Freude sehr groß. Nachdem ich den Sänger in einem Baum ausmachen konnte, er auch weiterhin sein Lied singt und sich für einige Fotos präsentiert, habe ich ein Vermutung. Ein Blick in den Svensson (Der Kosmos Vogelführer) schafft Klarheit. Es ist eine Klappergrasmücke (Bilder) – ein Vogel, der in Deutschland weit verbreitet ist. Aber für mich ist es die Erstsichtung. Die Klappergrasmücke hält sich von April bis September in Deutschland auf und brütet in offenen Landschaften mit Gebüsch und Hecken, auch in Parks und Gärten. In Helgoland brütete 2013 ein Paar (Quelle: Vogelwarte Helgoland).
Ich laufe weiter Richtung Meer und treffe im Kurpark Gudrun wieder, die schon vorgegangen war. Wir bewegen uns über Holzbohlen durch das dichte Gebüsch Richtung Nordmole (Bilder Unterland), plaudern mit einigen hiesigen Birdern, denen ich meine Sichtung des Grünlaubsängers weitergeben kann. Sie bestätigen, dass er sich oft am E-Werk aufhält. Wir bekommen einen Tipp, wo sich Gryllteisten aufhalten. Diese sind allerdings heute nicht zu finden, dafür sehen wir eine Heckenbraunelle (Bild) und eine Dorngrasmücke (Bild).
Gudrun hat über ihre Club-300-App die Info bekommen, dass ein Schwarzstirnwürger auf dem Oberland gesichtet wurde. Das würde mich natürlich sehr interessieren ;-). Wir trennen uns, weil sie noch etwas erledigen will, und ich schlendere gemütlich Richtung Oberland. Die Infos, wo der Vogel gesichtet wurde (Sendemast, Schafstall), sind für mich etwas kryptisch, da ich die Plätze nicht kenne. Aber die Helgoländer sind sehr hilfsbereit. So laufe ich den Weg entlang, der durch die Mitte von Oberland führt (Bild). Rechts und links Wiesen, eine Schafweide taucht auf. Der Wind bläst mittlerweile ziemlich heftig und trotz Sonne friert es mich ein wenig. Wieder diese schöne kribbelige Anspannung. Werde ich ihn finden? Es klappt. Der Schwarzstirnwürger (Bilder) steht auf dem Zaun, der das Gebiet um die Sendemasten eingrenzt. Hin und wieder fliegt er auf und landet auf dem nicht weit entfernten Weidezaun, kehrt aber immer wieder zurück. Trotz des starken Windes hat er keine Probleme, sich auf dem Pfosten zu halten, da er mit seinem aufgefächerten Schwanz die Balance sichert. Was diesen Vogel nach Helgoland verschlagen hat, ist mir ein Rätsel. Er überwintert im südlichen Afrika, und sein Brutgebiet erstreckt sich von Südosteuropa bis nach Zentralasien. Vielleicht war’s der Wind, der ihn nach Norden verweht hat.
Ich beschließe diesen wunderschönen Tag mit der Sichtung eines weiblichen Hausrotschwanzes (Bild), den ich irrtümlicherweise zunächst für eine Rarität hielt. Aber kundige Leute haben mir bei der Bestimmung geholfen. Und auf einer letzten Runde besuche ich noch die Trottellummen, Basstölpel, Dreizehenmöwen und Co.
Vogeltagesliste: Eiderente, Austernfischer, Eissturmvogel, Basstölpel, Kormoran, Heringsmöwe, Dreizehenmöwe, Trottellumme, Tordalk, Silbermöwe, Ringeltaube, Türkentaube, Rauchschwalbe, Bachstelze, Heckenbraunelle, Amsel, Dorngrasmücke, Klappergrasmücke*, Gelbspötter, Fitis, Zilpzalp, Grünlaubsänger*, Zaunkönig, Grauschnäpper, Schwarzstirnwürger*, Elster, Nebelkrähe, Rabenkrähe, Star, Haussperling, Bluthänfling
(* = meine persönliche Erstsichtung)