Samstag, 2. Juni 2018, Eichenwald bei Masalli, 10.30 bis 12.30 Uhr; Naturreservat Gyzylagach, 13 bis 18.30 Uhr; 19 Grad, bedeckt, regnerisch, sehr windig (35 km/h)
Die Nacht haben wir in einem Hotel in der Stadt Salyan verbracht. Es ging ein Gewitter mit Regenschauer nieder und die Temperaturen sind nun deutlich gesunken. Im Hotel gibt es kein Frühstück, aber schnell wird improvisiert und wir werden in einem wohnzimmerähnlichen Raum in Salyan bewirtet. Gut gestärkt fahren wir um 9 Uhr los. Ziel ist das 130 Kilometer südlich gelegene Naturreservat Gyzylagach. Nach einem kurzen Stopp an einem Feuchtgebiet ist der nächste Halt bei einem Eichenwald (Bild) in der Nähe der Stadt Masalli. Hier soll der Schikrasperber leben. Während wir langsam durch den lichten Wald laufen, raschelt es mal hier und mal dort und plötzlich fliegt ein größerer Vogel vor uns auf. Es ist eine Eule. Kurz darauf entdecken wir eine junge Waldohreule (Bilder), die völlig entspannt auf einem kleinen Ast sitzt – nur wenige Meter von uns entfernt. Wir können sie in aller Ruhe ansehen und fotografieren. Nach dieser tollen Begegnung streifen wir weiter durch das Gebiet. Ich suche in den Baumkronen nach Nestern. Wir sind schon einige Zeit unterwegs, als Michael den Schikrasperber (Bild) im dichten Blätterwerk findet. Mit einigen Verrenkungen (Bild) kann auch ich ihn durch das Spektiv fotografieren. Juhu! Er ist fast so groß wie der Sperber, unterscheidet sich jedoch durch das hellere Federkleid. Über den Schikrasperber weiß man noch sehr wenig. Die bedeutendsten Brutgebiete liegen im westlichen Zentralasien, in Süd-Kasachstan und Südasien sowie vereinzelt auf dem afrikanischen Kontinent. Der Schikrasperber ist vorwiegend in Steppen, Savannen und Wüstenrandzonen, aber auch in Kulturlandschaften mit Höfen und Baumgruppen zu Hause (Quelle > Wikipedia). Auf dem Rückweg zum Bus haben wir dann noch die tolle Gelegenheit, einen Wiedehopf (Bild) bei der Futtersuche im Gras zu beobachten.
Um mehr Zeit fürs Vögelchengucken zu haben, reicht uns heute Mittag ein Picknick. In Masalli (Bilder) schreitet unser Fahrer Seymur zur Tat und besorgt jede Menge warmer Teigtaschen mit diversen Füllungen. Gegen 13 Uhr kommen wir am südlichen Ende des Naturreservates Gyzylagach (Bilder) an. Das 88.000 Hektar große Feuchtgebiet an der Westküste des Kaspischen Meeres ist für den Vogelschutz von internationaler Bedeutung und als Ramsar-Gebiet anerkannt. Es umfasst Küstenlagunen, seichte Meeresgewässer sowie Seen und Brackflächen mit Süßwasser und dient nicht nur als Brutgebiet, sondern auch als Rastplatz während des Vogelzuges. In dem größten Naturschutzgebiet des Landes überwintern weltweit bedrohte Vogelarten wie Rothalsgans, Weißkopf-Ruderente, Zwerggans und Marmelente. Mehr Infos > Wikipedia.
Am ersten Halt haben wir einen tollen Blick auf eine Lagune und große Schilfgebiete. Das Essen ist nur Nebensache, so viel gibt es hier zu entdecken: Zwergscharben, eine Uferschnepfe und Stelzenläufer (Bilder). Weißbart-Seeschwalben (eine davon auf dem Bild) fliegen ihre Runden am Ufer. Da der Wind heftig weht, »stehen« sie scheinbar in der Luft. Bei einem Blick in die Ferne, Richtung Meer, sehen wir Tausende Weißbart-Seeschwalben am Horizont. Michael schätzt ihre Anzahl auf 12.000 Vögel. An einer anderen Stelle der Lagune haben sich Reiher »versammelt«. Purpurreiher, Seidenreiher, Nachtreiher und Rallenreiher (Bilder) sind hier auf Nahrungssuche. Ich habe noch nie so viele Arten von Reihern an einem Ort vorgefunden. Aus dem satten Grün einer Wiese leuchten die schwarz-gelben Maskenschafstelzen (Bild). Und auf einem Schilfhalm rasten Rauchschwalben (Bild).
Nach ausgiebigem Beobachten fahren wir weiter in nördlicher Richtung. Bei einer kleinen Siedlung haben Blauwangenspinte ihre Bruthöhlen in den sandigen Boden gebaut. Direkt neben der Straße. Nun ist es wichtig, dass wir die Vögel nicht stören. Ich darf einige Meter entfernt meinen Platz einnehmen und bewege mich kaum. Die anderen bleiben im Bus. Um die 30 Blauwangenspinte (Bilder, Video > Youtube) sind wunderschön zu beobachten. Ihr »prri prri prri« ist trotz des immer noch heftigen Windes gut zu hören. Die kleinen, schlanken Vögel mit dem spitzen, leicht abwärts gebogenen Schnabel scharen sich am liebsten auf den Stromleitungen und auf der Teerstraße zusammen. Sie sind auf den Fang fliegender Insekten spezialisiert. Das ist ein unvergessliches Erlebnis, diese hübschen Vögel aus so großer Nähe beobachten zu können.
Nach diesem Highlight geht es erneut nach Norden. Wir parken an der Straße und folgen einem kleinen Pfad Richtung Küste (Bild). In den Büschen entlang des Weges sehen wir die meistens gut versteckte Tamariskengrasmücke (Bild) manchmal durch das Dickicht hüpfen und Markus »erwischt« sie auch mit der Kamera. Sie ähnelt der Samtkopf-Grasmücke, die ich von Mallorca her kenne, ist aber etwas kleiner. Ihr Verbreitungsgebiet ist der Südosten der Türkei und der östliche Kaukasus. Ihr Name leitet sich vom Tamariskenstrauch ab, in dem sie gerne brütet. Kaum sind wir einige Meter weiter gewandert, erwartet uns schon der nächste »Kracher«: eine Maskenschafstelze (Bilder, Video > Youtube) direkt am Rande des Weges. Festgekrallt sitzt sie auf einem dünnen Halm, ruft »zrri zrri« und legt dabei ihren schwarzen Kopf in den Nacken. Die Maskenschafstelze ist eine Unterart der Schafstelze (Motacilla feldegg) und kommt auf dem Balkan, in der Türkei und im Kaukasus vor. Sie brütet im Tiefland auf Weiden, feuchten Wiesen, Mooren und am Rand von Sümpfen.
Nach der hübschen Maskenschafstelze geht es »Schlag auf Schlag«. Im halbhohen Gras entdecken wir zwei Weißschwanzkiebitze (Bilder) und eine Kalanderlerche (Bilder). Der Weißschwanzkiebitz brütet von der unteren Wolga und dem Irak bis Mittelasien an stehendem oder langsam fließendem Flachwasser sowie in Sumpfwiesen und Salzpflanzenbeständen. Seine langen gelben Beine, die durch das hohe Gras leider nicht gut zu sehen sind, verleihen ihm eine überaus elegante Gestalt. Das obere Gefieder ist einheitlich hellbraun gefärbt, doch kann man im Flug die weiß-schwarzen Flügel und den weißen Schwanz erkennen. Die Kalanderlerche habe ich im April 2015 schon einmal im südlichen Bayern gesehen – damals eine Sensation, da sie in Mitteleuropa ein seltener Irrgast ist. Die kräftige, große Lerche ist ein Brutvogel der mediterranen und Steppenzonen, ihr Verbreitungsgebiet reicht vom Südwesten der Paläarktis bis zur Zentralpaläarktis. Ein Kennzeichen der Kalanderlerche sind die beiden großen schwarzen Flecken am Hals. Neben den Vögeln am Boden tut sich auch am Himmel einiges. Erneut sehen wir Weißbart-Seeschwalben (Bilder) aus nächster Nähe, die über einem kleinen Zufluss zum Meer zum Fischefangen unterwegs sind. Ich möchte so gerne per Digiskoping ein Foto machen – und mit etwas Geduld gelingt mir auch eines. Natürlich nicht so perfekt wie mit einer herkömmlichen Kamera. Auf dem Rückweg zum Bus sehen wir dann noch eine Rotflügel-Brachschwalbe (Bild) auf- und leider auch gleich wieder wegfliegen. Die hätte ich mir gerne noch genauer angeschaut. Eine Steppenmöwe (Bild), deren Heimat im südlichen Osteuropa und im westlichen Mittelasien liegt, zeigt sich ebenfalls noch. Diese findet man mittlerweile auch in Mitteleuropa und in Bayern als Wintergast > Artikel Februar 2016.
Gegen 18 Uhr verlassen wir das Naturreservat Gyzylagach und fahren erneut Richtung Berge, diesmal ins Talysch-Gebirge. Die beiden Gebiete am Meer, der Shirvan-Nationalpark und das Naturreservat Gyzylagach, sind tolle Beobachtungsgebiete und ich wäre gerne länger geblieben. Wer weiß, vielleicht komme ich ja wieder. ;-))
Vogelliste Eichenwald bei Masalli: Schikrasperber*, Wiedehopf, Blaumeise, Waldohreule (2 Jungvögel), Kuckuck, Baumfalke, Nebelkrähe, Rauchschwalbe, Mauersegler, Buchfink, Schwanzmeise
Vogelliste Gyzylagach: Seidenreiher, Purpurreiher (2), Nachtreiher (ca. 10), Rallenreiher (8), Weißbart-Seeschwalbe (ca. 12.000) Flussseeschwalbe (ca. 4), Hausgans, Schwanengans, Lachmöwe, Steppenmöwe, Tundramöwe* heuglini (Unterart der Heringsmöwe), Rauchschwalbe, Mehlschwalbe, Blauwangenspint (Kolonie mit ca. 20 Vögeln), Türkentaube, Grauammer, Maskenschafstelze, Weißschwanzkiebitz (2, brütend), Zwergscharbe, Kormoran, Kalanderlerche, Rotflügel-Brachschwalbe, Blassspötter, Tamariskengrasmücke, Uferschnepfe, Stelzenläufer, Seeregenpfeifer, Haubentaucher, Star, Nebelkrähe, Haussperling
(* = meine persönliche Erstsichtung)