Samstag, 30. Mai 2020, 10.15 bis 17 Uhr, und Sonntag, 31. Mai 2020, 9.15 bis 15 Uhr (an beiden Tagen sonnig, heiter bis wolkig, 15 bis 23 Grad, angenehme, etwas windige Frühlingstage), Wagbachniederung bei Waghäusel (Baden-Württemberg)
Das Naturschutzgebiet und Europäische Vogelschutzgebiet Wagbachniederung liegt nördlich der Ortschaft Waghäusel zwischen Mannheim und Karlsruhe am rechten Rheinufer. Das rund 224 Hektar große Feuchtgebiet entstand aus ehemaligen Klärteichen einer Zuckerfabrik und Resten eines Moores in der Rheinaue. Es ist ein wichtiger Brut- und Rastplatz für heimische und durchziehende Vögel. Um die 300 Vogelarten wurden hier insgesamt gesichtet. Mehr Informationen zum Gebiet auf Wikipedia.
Mit meinen LBV-Kollegen Markus und Wolfgang aus München bin ich für zwei Tage in dieses Gebiet gereist, das in der Vogelbeobachterszene für die tollen Möglichkeiten der Purpurreiherbeobachtung bekannt ist. Die Tour hatten wir schon vor Corona geplant und nach einem Telefonat mit dem Hotel zur Bestätigung, dass es geöffnet hat, sind wir mit zwei Autos gestartet, um den Abstandsregeln gerecht zu werden. Wir haben das Naturschutzgebiet zweimal besucht, ich fasse die Beobachtungen aber zusammen, da sie überwiegend identisch sind.
Am Samstag kommen wir um kurz nach 10 Uhr in Waghäusel an. Der Zugang zur Wagbachniederung liegt am südlichen Ende. In der Nähe eines Bauernhofes können wir parken und wir nehmen den Weg entlang des Neugrabens in das Gebiet. Das Wetter ist herrlich, die Sonne scheint und eine kühle Frische liegt noch in der Luft. Und wir haben uns kundig gemacht: Auf Feldwegen und manchmal auch schmalen Trampelpfaden kann man zwischen den verschiedenen Becken und weiten Röhrichtflächen durch die Wagbachniederung (Karte und Bilder) wandern. Einige Wege liegen etwas höher als die Becken, so kann man gut in das Gelände einsehen. Zwei Hütten und eine Holzplattform stehen für Vogelbeobachter ebenfalls zur Verfügung.
Nachtigallengesang und hektische Bartmeisen
Ein vielfältiges Gezwitschere und Trillern ist zu hören. Wie ich das liebe! Jetzt weiß ich, was mir in den letzten Monaten so sehr gefehlt hat. Aus gefühlt jedem zweiten Busch »beglückt« uns eine Nachtigall (Bild) mit ihrem unverwechselbaren, kräftigen und melodischen Gesang. Die Vögel verstecken sich gut im dichten Unterholz – aber nach längerem Suchen können wir eine einmal kurz sehen. Anhand der Gesänge haben wir auch mehrere Heckenbraunellen (eine davon im Bild), die mittlerweile sehr seltene Turteltaube (Bild) – Vogel des Jahres 2020 – und ein Blaukehlchen (Bild) gefunden. Bei einer Sitzbank auf dem erhöhten Dammweg machen wir eine kurze Pause und genießen den schönen Blick über weite Schilfflächen. Mir fällt ein unscheinbarer, hellbrauner Vogel auf, der aber gleich im Schilf »untertaucht«. Markus macht den kleinen Vogel ausfindig. Er ist jedoch nicht allein, sondern es handelt sich um einen kleinen Trupp Bartmeisen (Bilder, Video auf Youtube), die an einer offenen Stelle im Schilf die Wasseroberfläche hektisch nach Nahrung absuchen. Wir können mindestens ein Männchen bestimmen, Weibchen und Jungvogel sind schwer auseinanderzuhalten, weil sie einfach nicht stillhalten.
Gänse mit Nachwuchs, Möwen und Schwarzhalstaucher
Ende Mai ist das Brutgeschäft voll im Gange. Die Kanadagänse (Bilder) und die Nilgänse (Bilder) beaufsichtigen jeweils ihre beiden Jungen. Die Rufe der stimmfreudigen, sehr lauten Lachmöwen (Bild), die auf den kleinen Schilf- und Grasinseln ihre Nester angelegt haben, begleiten uns den ganzen Tag. Auch sie haben bereits Küken. Wir suchen in dem weitläufigen und teilweise nicht gut einsehbaren Gebiet auch nach Schwarzkopfmöwen – es soll heuer einige Brutpaare geben. Ein einheimischer Birder bestätigt das, aber sie zeigen sich uns nicht. Dafür entdeckt Markus eine Silbermöwe (Bild), erkennbar an den rosaroten Beinen. Lange und ausgiebig kann ich die Schwarzhalstaucher (Bilder, Video auf Youtube) beobachten. Auch sie sind schon mit ihren Jungen unterwegs und ziemlich beschäftigt, diese satt zu bekommen.
Purpurreiher – das Highlight dieses Gebietes
Aber natürlich fehlen noch die, wegen denen wir hauptsächlich hierher gereist sind: die Purpurreiher. Wenn man alle Wege in Ruhe abgeht, ist es nicht schwer, diese schönen Vögel zu finden. Immer wieder fliegt ein Purpurreiher über das Gebiet. Bei unserem Rundgang entdecken wir an zwei Stellen brütende Purpurreiher. Eine davon ist in der Fotografenszene wohl sehr bekannt. Leider – das möchte ich bei dieser Gelegenheit mal sagen – belegen manche Fotografen stundenlang die besten Plätze. So muss ich aus der dritten Reihe beobachten, kann aber dennoch einige Fotos von den Purpurreihern (Bilder, Video 1 und Video 2 auf Youtube) machen. Sie haben ihre Nester auf den kleinen Schilfinseln gebaut. Die meisten Jungvögel sind noch sehr klein, sodass man sie nur manchmal sieht, wenn sie ihre Köpfchen bewegen. Einige Jungtiere sind schon etwas größer, ein Purpurreiher sitzt noch fest auf den Eiern. Wie die Graureiher brüten auch die Purpurreiher in Kolonien. Dazu suchen sie große Schilfgebiete auf, in denen sie auch reichlich Nahrung wie Fische und Amphibien finden. In Europa gibt es regionale Brutpopulationen in den Ländern rund um das Mittelmeer, von Südpolen bis zum Schwarzen Meer sind sie flächendeckend verbreitet. Zum Überwintern fliegen die Purpurreiher ins tropische Afrika. Der große, schlaksige Reiher unterscheidet sich vom Graureiher durch einen gleichmäßig schmalen und langen Schnabel. Sein Kopf ist kleiner. Das Gefieder ist wunderschön gezeichnet. Kopf- und Halsseiten sind rotbraun, der Hals weist markante, schmale schwarze Streifen auf, der Mantel ist dunkelgrau und mit braunvioletten Federn durchsetzt.
Vogelgesamtliste: Höckerschwan, Graugans, Kanadagans, Nilgans, Stockente, Schnatterente, Krickente, Knäkente, Tafelente, Kolbenente, Reiherente, Jagdfasan, Schwarzhalstaucher, Zwergtaucher, Haubentaucher, Kormoran, Silberreiher, Graureiher, Purpurreiher (ca. 16 Brutpaare), Weißstorch, Rotmilan, Schwarzmilan, Rohrweihe, Mäusebussard, Turmfalke, Wasserralle, Teichhuhn, Blässhuhn, Lachmöwe, Silbermöwe, Ringeltaube, Turteltaube, Türkentaube, Mauersegler, Eisvogel, Rauchschwalbe, Kuckuck, Buntspecht, Bachstelze, Heckenbraunelle, Nachtigall, Blaukehlchen, Singdrossel, Wacholderdrossel, Amsel, Gartengrasmücke, Mönchsgrasmücke, Dorngrasmücke, Klappergrasmücke, Teichrohrsänger, Sumpfrohrsänger, Fitis, Zilpzalp, Kohlmeise, Blaumeise, Bartmeise, Schwanzmeise, Kleiber, Gartenbaumläufer, Neuntöter, Elster, Eichelhäher (unterwegs), Dohle, Rabenkrähe, Star, Pirol, Haussperling, Buchfink, Bluthänfling, Stieglitz, Grünfink, Rohrammer